Das Lenzburger Freischarenmanöver – abenteuerliche Geschichte, faszinierende Gegenwart
Am 12. Juli ist es endlich wieder so weit: Das Lenzburger Jugendfest mit dem traditionellen Freischarenmanöver begeistert Jung und Alt. Lesen Sie hier, was für eine abenteuerliche Geschichte hinter dem grössten und schönsten Lenzburger Volksfest steht.
Das Freischarenmanöver geht auf eine bereits 172-jährige Tradition zurück, die aus verschiedenen auch internationalen Einflüssen ein einzigartiges, identitätsstiftendes Ereignis für alle Lenzburgerinnen und Lenzburger gemacht hat – ein Ereignis, das weit über unsere Stadt hinaus strahlt und Zuschauerinnen und Zuschauer aus Nah und Fern anzieht und begeistert.
In den folgenden Abschnitten geben wir einen unterhaltsamen Einblick in die abenteuerliche Geschichte des Freischarenmanövers – anhand von kurzen Fragen und Antworten zu zentralen Figuren, Ereignissen und Stichworten.
Wann fand das erste Freischarenmanöver statt?
1852. Offenbar war schon die erste Auflage auf Anhieb ein Erfolg. «Das Ganze bildete ein sehr unterhaltendes Schauspiel», schrieb eine Lokalzeitung. Auch das Wetter stimmte: «Ausserordentliche Hitze drückte Geist und Körper darnieder.» Der Stadtrat sorgte dafür, dass die gebeutelten Freischaren, die schon damals völlig überraschenden den jugendlichen Kadetten unterlagen, wieder aufgepäppelt wurden, indem «eine Flasche Wein und Brot per Mann auf Kosten der Gemeinde abgegeben» wurde.
Woher kommen die «Freischaren»?
Sogenannten Freicorps haben sich im preussisch-deutschen Befreiungskampf gegen Napoleon ums Jahr 1812 gebildet. In ihnen durften auch Nichtadlige militärische Führungspositionen übernehmen. In der Schweiz sorgten die «Freischarenzüge» nach Luzern 1844/45 für Furore, antiklerikale, also gegen die katholische Kirche gerichtete Umsturzversuche von radikal-liberalen Aufständischen, welche die konservative Regierung des Kantons Luzern stürzen und die Jesuiten vertreiben wollten.
Was hat ein deutscher Revolutionär und amerikanischer Bürgerkriegsheld mit dem Manöver zu tun?
Interessanterweise geht das Lenzburger Freischarenmanöver aber weniger auf die innereidgenössischen Freischarenzüge der Mitte der 1840er Jahre zurück, sondern auf einen charismatischen Abenteurer aus Süddeutschland mit einer filmreifen Biografie: auf Ludwig Blenker. Nachdem er dort einen Aufstand angezettelt hatte, suchte der wilde Freischarenführer und Plünderer Zuflucht in der Schweiz. Dabei kam er mit seinen Horden auch nach Lenzburg. Der Staatsarchivar des Kantons Aargau beschrieb dies so: «Die Freischaren besassen ein Musikcorps, das gräuliche Töne von sich gab. Die Männer trugen wilde Bärte und benahmen sich sehr undiszipliniert. Dem Corps gehörten Marketenderinnen an, die gleich gekleidet waren wie die Männer. Sie fuhren auf Planwagen mit, die zum Teil mit Raubgut (Wäsche, Kleider, Geschirr, Weinfässer) und allem möglichen Plunder beladen waren.» In einer Kutsche habe sich eine «Kriegskasse» befunden, «bewacht von zwei Freischärlern». Später machte der Abenteurer und Warlord Blenker Karriere als hochdekorierter Kriegsheld im amerikanischen Bürgerkrieg. Auch in Lenzburg musste er tiefen Eindruck hinterlassen haben: Kurz nach seinem Besuch im Städtchen fand das erste Freischarenmanöver statt – erkennbar inspiriert durch den Haudegen aus dem Norden.
Was sind Kadetten?
Das Lenzburger Freischarenmanöver lebt dramaturgisch von der ewigen Auseinandersetzung zwischen den Freischaren und den Kadetten, die von der Schuljugend gebildet werden. Auch dies hat historische Wurzeln: Das Kadettenwesen ist in der Eidgenossenschaft Ende des 18. Jahrhunderts entstanden und sollte dazu dienen, Knaben im Alter von 10 bis 15 Jahren eine Art militärische Vorausbildung zu geben. Einer der Hauptinitianten bei der Gründung des Lenzburger Kadettenkorps 1793 war der Lenzburger Unternehmer Gottlieb Hünerwadel. Die Kadetten präsentierten sich mit Märschen an Feiern und Jugendfesten. Beim Lenzburger Jugendfest können die Kadetten von heute jedoch viel mehr als das: Sie dürfen nämlich – auch wenn das die Freischaren und ihr General bis in alle Ewigkeit nicht wahrhaben wollen – sogar die ruhmreichen Freischaren besiegen.
In welchen Jahren findet und fand das Freischarenmanöver statt?
Heute findet das Freischarenmanöver alle zwei Jahre statt. Nach der Premiere 1852 ging 1856 das zweiteManöver über die Bühne. Spätestens ab 1861 ist das Manöver als Tradition verstanden worden, und zwischen 1886 und 1914 hat es nur drei Jahre gegeben, wo das Manöver ausgefallen ist. Der Erste Weltkrieg sorgte dann für einen Unterbruch bis 1924. Historisch dann auch das Manöver von 1926: Damals erscholl zum ersten Mal der Schlachtruf «Honolulu» (aus voller Kehle und dreifach wiederholt). Ein nächster Meilenstein war dann das Jahr 1972, als die Kadetten nach der Abschaffung des obligatorischen Kadettenunterrichts erstmals freiwillig am Manöver teilnahmen – was wohl umso mehr Spass machte. 2020 fiel das Freischärenmanöver zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte aus, aufgrund der Corona-Massnahmen. Dafür fand im folgenden Jahr, 2021, ein «Manöver light» mit einem originellen Drehbuch statt, verteilt auf die ganze Jugendfestwoche und live per Videostream übertragen. Die Tradition des Lenzburger Freischarenmanövers lebt – und sie wird ständig weiterentwickelt. Seien auch Sie Teil dieser grossartigen und faszinierenden Geschichte mit Zukunft!